Projekt 2015-2018: Polesien als Interventionslandschaft. Raum, Herrschaft, Technologie und Ökologie an der europäischen Peripherie 1915-2015

Teilprojekt (Diana Siebert, Uni Siegen): Herrschaftstechniken im Sumpf und ihre Reichweiten, 1914-1941

Mit welchen Zielen und Methoden militärische und zivile Interventen in Kriegs-, Bürgerkrieg- und Friedenszeiten ihre Herrschaft mit über die und mit den Einheimischen, über den und in dem als widerständig empfundenen Raum in der sehr dünn besiedelten Region Polesien etablierten, ist der Forschungsgegenstand des ersten Teilprojekts.

Einheimische wie Nichteinheimische nahmen Polesien in dieser Periode ganz verschieden wahr: als pittoresken Gegenstand von Landschaftsmalerei, als Torfausbeutungs-Gebiet, als eine dünn besiedelte Region, als sumpfige terra non grata, als ur-ukrainische, ur-belarussische, ur-slawische Landschaft sowie schließlich als einen Ort der Vernichtung der Juden.
Haben Lern- und Wissenstransferprozesse aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und sogar der Zwischenkriegszeit unter polnischer und sowjetischer Herrschaft die Handlungsanweisungen und Raumkonzepte der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg beeinflusst? Welche Widerstands-, Unterordnungs- und Aneignungsstrategien entwickelten einheimische Bewohner der Städte, Stetler und Dörfer gegenüber den ihnen begegneten Herrschaftstechniken im Erstem Weltkrieg, im Bürgerkrieg und unter polnischen, sowjetischen und deutschen Kriegs-, Verwaltungs-, Besiedlungs-, und Modernisierungstechniken?

In einer klassische Analyse von Archivtexten und Sekundärliteratur analysieren wir, wie in dem bald umkämpften, bald nahezu niemanden interessierenden Polesien zwischen Aufeinanderprallen und Zusammenarbeit, zwischen Anziehung und Abstoßung, zwischen Terror und Normalität, zwischen Territorialisierung und neuer „Verwilderung“, zwischen Ver- und Entsicherheitlichung, zwischen Zuschreibung zum Anderen und zum Eigenen eine Interventionslandschaft produziert, tradiert und zerstört, erinnert und vergessen wurde.