Solidarität mit der Ukraine! Aufruf von Grünen für Grüne an Alle

Unter dem Titel „Für eine nachhaltige Friedensordnung in Europa – Solidarität mit der Ukraine!“ habe ich einen Aufruf mitverfasst.
Dieser stellt noch einmal heraus, warum viele Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu denen ich gehöre, die Okkupation und Annexion der Krim und der militärischen Destabilisierung der Ukraine durch Russland NICHT akzeptieren.
Grüne Mitglieder rufen wir hier zum Unterschreiben auf.

Ich bringe unseren Aufruf aber auch hier:
Europa durchlebt turbulente Zeiten. Die Krise in der Ukraine ist zu einer

Kiew 2005

Kiew

weiteren Bewährungsprobe für die Friedensordnung in Europa und der Welt geworden. Wie alle anderen demokratischen Kräften im Lande stehen wir Bündnisgrüne in der Pflicht, die neusten Entwicklungen entschieden aber verantwortungsbewusst zu begleiten und uns getreu unserer grünen Grundsätze einzumischen! Geleitet durch unsere bündnisgrüne Tradition gibt es zur Zeit keine Alternative zur Solidarität mit den Ukrainer/innen und ihrer Freiheit, Unabhängigkeit und territorialen Integrität. Diese Position steht in Kontinuität mit bündnisgrünen Überzeugungen als progressive, friedfertige Menschen- und Bürgerrechtsorientierter Partei, die dem Völkerrecht verpflichtet ist:

Völkerrecht statt Machtinteressen: Für uns steht fest, dass die Menschenrechte und völkerrechtlichen Regeln den Ausgangspunkt jedes staatlichen Handelns bilden. Die Annexion der Krim durch die Russische Föderation sowie die Einmischung in der Ostukraine stellen grobe und eindeutige Verstöße Russlands gegen die Souveränität des Staates Ukraine dar. Insbesondere wurde das von Russland als Garantiemacht unterzeichnete Budapester Memorandum, aber auch das VN-Statut grob missachtet. Wir stehen an der Seite der Ukraine, weil wir für das Völkerrecht sind!

Menscheninteressen vor Staatsinteressen: Für die Grünen waren Menschenrechte stets vorrangiger als Staatsinteressen. Unser Blick auf die internationale Politik ist realistisch, aber nicht ausschließlich realpolitisch. Realpolitik ist für die Grünen nie der alleinige Kompass ihrer Entscheidungen gewesen. Werte, internationale Normen und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen sind für unsere bündnisgrüne Außenpolitik stets ein wichtiges Korrektiv der zwischenstaatlichen Mächteverhältnisse gewesen. Wir denken nicht in Einflusssphären und reduzieren andere Staaten nicht auf ihre „Scharnier- und Brückenfunktionen“. Für uns sind alle Staaten und ihre Bürger in ihrem Wunsch nach Anerkennung und Solidarität gleich, unabhängig davon wie groß, mächtig oder militärisch gerüstet sie sind. Dies gilt auch für Ukraine! Die Ukraine ist für uns kein Pufferstaat zwischen Ost und West und keine Verhandlungsmasse in den Auseinandersetzungen zwischen EU und Russland. Wir stehen zur Ukraine, weil wir gegen rücksichtslose zwischenstaatliche Machtspiele sind.

Progressive und emanzipatorische Außenpolitik: Wir betrachten den Kampf der Ukrainer/innen in der Tradition der post-kolonialen Emanzipation, wie wir diese auch in anderen Teilen der Welt stets begrüßt und unterstützt haben. Die Ukrainer/innen haben nicht weniger Anrecht auf Unabhängigkeit und auf eine souveräne Entscheidung über ihre Zukunft als zahlreiche Völker in Asien, Afrika oder Lateinamerika. Für uns offenbart die Einstellung Moskaus und seiner Fürsprecher/innen im Westen gegenüber den demokratischen Bestrebungen der Ukrainer/innen einen klaren (post-)kolonialen Charakter. Gerade unsere linken Wurzeln bestärken uns jedoch in dieser Betrachtungsweise. Wir stehen an der Seite der Ukraine, weil wir gegen jeglichen Neukolonialismus sind.

Bürgerrechte und emanzipatorische Innenpolitik: Die Majdanbewegung ist eine Demokratie- und Bürgerrechtsbewegung. Ihre Wurzeln lagen nicht im Streben gen Westen, sondern im Streben nach Freiheit, Demokratie und individuellen Entfaltungsräumen. In der Majdanbewegung sehen sich große Teile unserer Partei und unserer Wähler an eigene Erfahrungen als Teil einer Protestbewegung gegen Missstände und Unfreiheit erinnert. Den jungen und alten Menschen auf dem Majdan gilt unsere bündnisgrüne Solidarität, denn wir wollen nicht anderen in Abrede stellen, wofür wir selbst lange gekämpft haben. Den Freiheitsimpuls und das Streben nach Bürgerrechten gilt es in der Ukraine zu sichern. Das ist die Pflicht der jetzigen ukrainischen Regierung, aber auch die Verantwortung von uns allen, die die Unterstützung der jungen und zerbrechlichen ukrainischen Demokratie mit sich bringt. Wir stehen zu den Ukrainer/innen, weil wir für Bürgerrechte sind!

Zivilgesellschaft und Demokratie in Russland schützen: Politische Morde, gleichgeschaltete Parlamente und Presse, polizeistaatliche Unterdrückung und massive nationalistische Propaganda bestimmen den Bewegungsraum der Opposition in Russland. Trotz dieser schwierigsten Bedingungen gibt es nach wie vor mutige und engagierte Organisationen der Zivilgesellschaft in der Russischen Föderation. Ihnen gilt unser höchster Respekt und unsere Solidarität, wir wollen und werden sie auch in Zukunft weiter unterstützen. Wir stehen zur russischen Opposition, weil wir für Demokratie sind!

Frieden statt Aggression: Wir sehen die Unterstützung der Ukraine als Beitrag zu einer nachhaltigen Friedensordnung . Denn eine nachhaltige Friedensordnung muss beides leisten: den Weltfrieden erhalten, ohne regionale Aggressionen zu belohnen. Ein sofortiger Frieden darf nicht einseitig auf Kosten der angegriffenen Seite geschlossen werden und nicht den alleinigen Angreifer belohnen, da er so Anreize für künftige Kriege schafft. In der Ukraine gibt es in Gestalt der Russischen Föderation einen eindeutigen Angreifer. Zudem ist zu bedenken, dass ein Hinnehmen der russischen Verletzung des Budapester Memorandums, das Anreizsystem für die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zunichte gemacht hat, was die Friedenserhaltung auf lange Sicht unterminiert. Wir stehen zur Ukraine, weil wir gegen Krieg sind!

Diese bündnisgrünen Grundsätze erklären unsere Sympathie und Unterstützung für die Ukrainer/innen in dieser schweren Zeit. Diese Unterstützung darf nicht zu einem bedingungslosen Abnicken jeglicher staatlicher Politiken der ukrainischen Regierung führen. Das bedeutet auch, dass wir den Wunsch der ukrainischen Regierung nach Waffenlieferungen aus dem Westen nachvollziehen können, aber falsch finden und ihn nicht erfüllen wollen. Dieser Krieg kann nicht gewaltsam befriedet werden, von keiner Seite aus. Wir wollen den Reformprozess in der Ukraine weiterhin mit kritischer Empathie begleiten. Sowohl außen- wie innenpolitisch steht die Regierung in der Pflicht, alles zu tun, um Eskalation zu vermeiden, rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen und Korruptionsstrukturen zu beseitigen. Dies kann die Ukraine nicht ohne unsere Hilfe tun. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die bisherige entschiedene Politik der aktiven Solidarität mit Augenmaß seitens der Parteiführung, der Bundestags- sowie der Europafraktion. Der Beitrag von aktuellen und ehemaligen bündnisgrünen Amts- und Funktionsträger/innen für die Zukunft einer demokratischen Ukraine und des gesamteuropäischen Werte- und Demokratiesystems ist nicht zu unterschätzen, dies gilt auch für zahlreiche aktive Basismitglieder der Partei, grünnahe Initiativen und Stiftungen. Ihnen allen gilt unser Respekt und Unterstützung.